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Bundesrat stoppt deutsches Hinweisgeberschutzgesetz - und jetzt?

Nachdem der Bundestag am 16. Dezember 2022 das lang ersehnte Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) beschlossen hat, musste vor der Verkündung und dem Inkrafttreten des Gesetzes nur noch der Bundesrat zustimmen. Seine Zustimmung versagte der Bundesrat allerdings in seiner Sitzung am 10. Februar 2023. Folge ist, dass hinweisgebende Personen in Deutschland weiterhin schutzlos gestellt sind. Denn das HinSchG soll - in Umsetzung der EU-Hinweisgeberschutzrichtlinie (RL (EU) 2019/1937) - Personen, die im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit beobachtete Verstöße melden, schützen. Insgesamt soll das HinSchG die Meldung von Verstößen und deren Untersuchung durch die Unternehmen transparenter regeln.

UPDATE: Nachdem der Bundesrat am 10. Februar 2023 dem am 16. Dezember 2022 im Bundestag beschlossenen Entwurf des Hinweisgeberschutzgesetzes seine Zustimmung versagt hatte, haben Bundestag und Bundesrat nun am 11./12. Mai 2023 das lang ersehnte Hinweisgeberschutzgesetz in Form der Beschlussempfehlung des Vermittlungsausschusses (BGBl. Teil I Nr. 140 2023) beschlossen. Nach der Ausfertigung durch den Bundespräsidenten und der Verkündung im Bundesgesetzblatt am 02. Juni 2023 tritt das Gesetz innerhalb eines Monats, d.h. am 02. Juli 2023, in Kraft.

Wenn Sie mehr über das HinSchG erfahren möchten, lesen Sie unseren Blog-Beitrag zu den wesentlichen Regelungen im Überblick.



Umsetzungsfrist längst verstrichen


Bis zum 17. Dezember 2021 hatten die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union Zeit, die EU-Hinweisgeberschutzrichtlinie in nationales Recht umzusetzen. Nach den gescheiterten Bestrebungen in der letzten Legislaturperiode, die Umsetzungsfrist einzuhalten, scheiterte nun - zumindest zunächst - auch die Ampelkoalition. Durch die versagte Zustimmung des Bundesrates entfernt sich Deutschland noch weiter von einer "fristgemäßen" Umsetzung der EU-Hinweisgeberschutzrichtlinie.



Mehrheitlich unionsgeführte Bundesländer versagen Zustimmung


Bayerns Justizminister Georg Eisenreich (CSU) erklärte nach der Sitzung des Bundesrates, dass der aktuelle Entwurf des HinSchG weit über die EU-Vorgaben hinausgehe und kleine und mittlere Unternehmen über Gebühr belaste. Er forderte mehr Augenmaß. Hessens Justizminister Roman Poseck (CDU) warnte zudem, dass der vorgesehene anonymisierte Meldekanal auch die Gefahr von Missbrauch beinhalte, da nicht jede hinweisgebende Person Gutes im Schilde führe.



Ampelkoalition hält an aktuellem Entwurf des Hinweisgeberschutzgesetzes fest


Der parlamentarische Staatssekretär im Bundesjustizministerium, Benjamin Strasser (FDP), betonte, die Ampelkoalition habe bei der Umsetzung der EU-Richtlinie darauf geachtet, die Belastungen gerade für kleine und mittlere Unternehmen so gering wie möglich zu halten. Zwar gehe das HinSchG über die eigentlichen Vorgaben der EU-Richtlinie hinaus, dies jedoch aus gutem Grund. Denn es sei notwendig, Widersprüche zu vermeiden und das HinSchG praxistauglich und nutzerfreundlich zu gestalten. Es handele sich zudem um eine maßvolle Erweiterung des sachlichen Anwendungsbereichs im Vergleich zu den Vorgaben in der EU-Hinweisgeberschutzrichtlinie.



Weitere Verzögerung der Umsetzung durch Anrufung des Vermittlungsausschusses


Nach der versagten Zustimmung durch den Bundesrat dürfte nun im Vermittlungsausschuss von Bundesrat und Bundestag versucht werden, einen Kompromiss zu finden. Wann jedoch mit einem Inkrafttreten gerechnet werden kann, ist schwer abschätzbar; denn beim Vermittlungsausschuss gibt es keine gesetzlichen Fristvorgaben zum Ablauf bzw. der Dauer. Aufgrund des von der EU-Kommission gegen Deutschland wieder aufgenommenen bzw. forcierten Vertragsverletzungsverfahrens könnte es allerdings ausnahmsweise zu einer besonders schnellen Kompromisslösung kommen.



"Umgehung" des Bundesrates mit Gesetzesentwurf ohne Zustimmungserfordernis?


Die Ampelkoalition scheint an dem aktuellen Gesetzesentwurf grundsätzlich weiter festhalten zu wollen. Um dies zu erreichen, prüft die Ampelkoalition derzeit die Möglichkeit, den Gesetzentwurf möglichst inhaltsgleich in einer nicht zustimmungspflichtigen Form erneut in den Bundestag einzubringen, und dies angeblich auch so schnell wie möglich. Denn der Schutz für hinweisgebende Personen soll auch in Deutschland so schnell wie möglich gesetzlich verankert werden.



Europäische Kommission nimmt Klage gegen Deutschland wieder auf


Die EU-Kommission leitete bereits am 27. Januar 2022 ein förmliches Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland sowie 23 weitere Mitgliedstaaten ein. Aufgrund der Bestrebungen der Bundesregierung unter Justizminister Marco Buschmann (FDP), einen entsprechenden Gesetzesentwurf auf den Weg zu bringen, pausierte die EU-Kommission das Verletzungsverfahren. Da sich das Inkrafttreten des im Dezember vom Bundestag beschlossenen HinSchG nun noch weiter verzögert, will zumindest die EU-Kommission nicht länger warten. Sie verklagte die Bundesrepublik Deutschland bereits in der Woche nach der versagten Zustimmung vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg. Die EU-Kommission sieht bei der Umsetzung der EU-Hinweisgeberschutzrichtlinie in Deutschland keinen Fortschritt.



Deutschland als verklagter Mitgliedstaat nicht allein


Neben Deutschland verklagte die EU-Kommission bereits auch Tschechien, Estland, Spanien, Italien, Luxemburg, Ungarn und Polen, weil diese Länder die Hinweisgeberschutzrichtlinie nicht oder nicht vollständig umgesetzt und die Umsetzungsmaßnahmen nicht mitgeteilt haben. Die Hinweisgeberschutzrichtlinie ist von entscheidender Bedeutung für die Durchsetzung des Unionsrechts in mehreren wichtigen Bereichen, in denen Verstöße gegen das Unionsrecht dem öffentlichen Interesse schaden können. Der Schwerpunkt liegt vor allem beim Umweltschutz, dem öffentlichen Beschaffungswesen, den Finanzdienstleistungen, der nuklearen Sicherheit, der Produktsicherheit und dem Schutz der finanziellen Interessen der Union.Weitere Beiträge zum Hinweisgeberschutzgesetz finden Sie in unserem Blog.

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