Um Whistleblower besser zu schützen, müssen Unternehmen ab 50 Mitarbeitern Hinweisgeberstellen einrichten. Betriebe, die noch kein Hinweisgebersystem haben, sollten sichschnellstmöglich mit der Einführung befassen. Denn die Risiken sind erheblich.
Gefeuert und ohne Job – so erging es 2007 dem Lkw-Fahrer Miroslav Strecker, der den so genannten Gammelfleisch-Skandal ans Licht brachte. Er war Zeuge einer Umetikettierung geworden, durch die minderwertiges Fleisch als Lebensmittel deklariert wurde. Die Behörden reagierten träge, doch Strecker blieb beharrlich, zumal er die Lieferpapiere als Beweis präsentieren konnte. Schließlich stellte sich heraus, dass der Auftraggeber Streckers, die Wertfleisch GmbH, insgesamt 150 Tonnen Fleischabfälle mit gefälschten Labels an Berliner Dönerfleisch-Großhändler verkauft hatte, die damit wiederum landesweit Dönerbuden beliefert hatten. Der Betrieb wurde geschlossen, der Geschäftsführer später zu einer zweijährigen Haftstrafe verurteilt.
Whistleblower Strecker wurde nach dem Auffliegen des Skandals durch die einschlägigen TV-Shows gereicht und in den Medien als moderner Held gefeiert. Viel genutzt hat ihm das aber zunächst nichts: Von seinen Kollegen und Vorgesetzten wurde er gemobbt, was schließlich zu seiner Kündigung führte.
Hätte es seinerzeit schon das Hinweisgeberschutzgesetz gegeben – Strecker wäre vor Repressalien geschützt gewesen. Zugleich hätte er auch die Möglichkeit gehabt, die Missstände zunächst intern an eine Hinweisgeberstelle zu melden, anstatt damit an die Öffentlichkeit zu gehen. Denn das Gesetz verpflichtet Unternehmen mit mehr als 50 Beschäftigten, eine interne Meldestelle einzurichten. Auch kleinere Betriebe können von dieser Pflicht betroffen sein, wenn sie in bestimmten Branchen wie etwa dem Finanzdienstleistungssektor tätig sind.
Unternehmen, die noch über kein Hinweisgebersystem verfügen, sollten sich schnellstmöglich mit der Einführung befassen. Nachdem das Hinweisgeberschutzgesetz Rechtskraft erlangt hat, ist ein dem Gesetz entsprechendes Hinweisgebersystem in den Fokus des Risikomanagements gerückt.
Bis 50.000 Euro Bußgeld
Ein Verstoß gegen die Regelungen des Gesetzes birgt das Risiko eines Bußgelds von bis zu 50.000 Euro – für kleine und mittlere Unternehmen unter Umständen existenzbedrohend. Damit einher geht das Risiko der persönlichen Haftung des Geschäftsleiters, wenn er dieser rechtlichen Anforderung nicht nachkommt. In diesem Fall haftet er mit seinem gesamten Privatvermögen. Nicht zu unterschätzen sind zudem auch Reputationsrisiken, falls Hinweise auf Missstände direkt in die Öffentlichkeit gelangen und nicht erst im Hinweisgebersystem auflaufen. Die Einrichtung einer Hinweisgeberstelle hat somit auch einen stark präventiven Charakter.
Rechtsanwälte raten dazu, eine solche Hinweisgeberstelle in ein übergeordnetes System einzubetten. Es helfe nicht viel, wenn man zwar ein gutes Tool implementiert hat, aber nicht weiß, wie man mit eingehenden Hinweisen umgehen solle. Genau daran würden viele kleinere Unternehmen scheitern, weil es dort noch keine systematische Herangehensweise gebe. Im Idealfall könne man das Hinweisgebersystem dann auch im positiven Sinne nutzen und eingehende Hinweise auf Schwachstellen oder Missstände dazu verwenden, die Prozesse und Maßnahmen innerhalb des Unternehmens nachhaltig zu verbessern.
Zu berücksichtigen sind einige Aspekte:
Der Hinweisgeberschutz ist ein eigenständiges Compliance-Risiko und sollte sich als solches im Rechtskataster sowie in der Risikobewertung des Unternehmens wiederfinden.
Der notwendige administrative Aufwand sollte so gering wie möglich gehalten werden und einen möglichst hohen digitalen Workflow beinhalten.
Sinnvoll ist es, sowohl interne Meldungen von Mitarbeitern als auch externe Meldungen mit der Möglichkeit der Anonymisierung zu ermöglichen.
Erste Anlaufstelle für eingehende Hinweise sollte ein fachkundiger, außenstehender Dritter sein, zum Beispiel eine Ombudsperson, um jedem Zweifel vorzubeugen.
Eingehende Hinweise sind vertraulich zu behandeln.
Sie sollten schnellstmöglich und in der vorgegebenen Frist bearbeitet werden und dem Hinweisgeber eine entsprechende Rückmeldung gegeben werden.
Das klingt noch relativ einfach, wenn man es mit Hinweisen zu tun hat, die das Unternehmen intern betreffen. Was aber tun, wenn man auf Fehlverhalten eines Geschäftspartners aufmerksam gemacht wird? Juristen betonen, dass es deutlich einfacher sei, interne Themen anzugehen als einen Zugang zum Geschäftspartner zu finden. Dennoch gehörten Geschäftspartner und entsprechende Prozesse genauso zum unternehmerischen Alltag wie die eigenen Prozesse und Mechanismen.
Zumal man mit dem Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz auch dazu verpflichtet ist, sich seine Geschäftspartner genauer anzuschauen – und Hinweisen auf Missstände nachzugehen. Ein einheitliches Schutzniveau für Hinweisgeber in Europa sei ein wichtiger Schritt, sagt Gisa Ortwein, Präsidentin des Bundesverbands der Compliance-Manager. „Er darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Benachteiligung von Hinweisgebern vielfältig sein kann.“ Unternehmen
seien daher gefordert, „auch weiterhin eigeninitiativ auf eine Vertrauenskultur hinzuwirken, sodass Whistleblower ohne Angst auf Missstände hinweisen können.“
Schließlich soll es niemandem mehr so ergehen wie dem Lkw-Fahrer Strecker, der durch seine Hinweise zwar das Leben seiner Mitmenschen geschützt hat – aber dafür sein bisheriges Leben aufgeben musste.
Hinweis: Der Originalbeitrag von Harald Czycholl ist erschienen in Frankfurter Allgemeine Zeitung, Anzeigensonderveröffentlichung am 15. Juli 2023